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Seien wir mal ehrlich: Wie oft haben Sie sich denn Gedanken über diese Worte gemacht?
Fühlen Sie sich davon wirklich angesprochen? Ist diese Idee der „Mission“ überhaupt noch
zeitgemäß? Ich persönlich kann es mir schlecht vorstellen, wie die Apostel damals in die Welt
zu ziehen, mich in der nächsten Stadt auf einen öffentlichen Platz zu stellen und den Menschen
dort von Jesus und seinen Lehren zu erzählen. Die Reaktionen der Menschen wären wohl eher
Verwirrung, Ablehnung und vielleicht sogar Gegenwehr.

Überhaupt hat der Begriff der „Mission“ über die Jahrhunderte einen bitteren Beigeschmack
bekommen. Zu oft wurde im Namen Gottes von der Kirche gewalttätig missioniert. Menschen
wurden zum Glauben an Jesus Christus gezwungen, andernfalls drohte man ihnen mit dem Tod.
Kann Jesus das etwa gewollt haben, als er seine Apostel dazu aufrief, in die Welt zu ziehen und
die Menschen überall zu lehren und sie zu taufen? Klingt das nach christlicher Nächstenliebe?
Doch auch wir sind heute, rund 2000 Jahre später, von dem Missionsbefehl angesprochen. Als
Christ*innen müssen wir irgendwie auf diese Worte reagieren, aber wie? Am einfachsten
machen wir es uns, indem wir versuchen, dem Begriff der Mission aus dem Weg zu gehen.
Mission, das klingt nach Aufzwingen. Und unseren Glauben, den wollen wir natürlich keiner

Person aufzwingen. Überhaupt wird der Glaube heute doch von vielen Menschen als
Privatsache deklariert. Der persönliche Glaube findet in der Kirche statt und vielleicht noch in
den eigenen vier Wänden.
Aber nehmen wir so den Auftrag von Jesus an?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Vor nur wenigen Wochen habe ich an einer ganz
besonderen Taufe teilgenommen. Wir waren mit meiner Heimatgemeinde auf Konfifahrt in
Scharbeutz an der Ostsee. Drei unserer Konfis waren noch nicht getauft und sie äußerten einen
besonderen Wunsch: Eine Taufe während der Konfifahrt, in der Ostsee zum Sonnenaufgang.
Sie können sich sicher vorstellen, was für ein einzigartiger Moment diese Taufe war. Früh
morgens sind wir mit allen Konfis und Mitarbeitenden an den Strand gegangen, am Wasser
wurde ein Kreuz aufgestellt, mit Sandspielzeug wurde eine Art Kirchschiff in den Sand
gezeichnet, an der Seite wurde eine Girlande mit gebastelten Fischen aufgehängt, auf denen
Wünsche für die Täuflinge standen. Auch die Angehörigen machten sich, noch früher als wir,
auf, um den zweistündigen Weg nach Scharbeutz anzutreten.
Im Vorfeld haben die drei Täuflinge sich merklich viele Gedanken gemacht über das Thema
Taufe, über ihren Taufspruch und über die Gestaltung. In den Tagen in Scharbeutz ergaben sich
viele intensive Gespräche zu diesen und anderen Themen unseres Glaubens. Ich finde es immer
spannend zu sehen, wenn Menschen getauft werden, die sich selbst aus ihrer eigenen
Überzeugung dazu entschieden haben. Dies ist heute ja nicht mehr der Regelfall. Im Gegenteil:
Die meisten von uns, mich eingeschlossen, wurden getauft, als sie noch ein Kind waren. Viele
haben nicht einmal eine Erinnerung daran. Die Entscheidung, ob wir getauft werden möchten,
wird uns von unseren Eltern abgenommen.
Zur Zeit der Apostel, und auch viele Jahrhunderte danach, war dies anders. Wenn Jesus die Elf
im Predigttext in die Welt hinausschickt, dann sollen sie ja Menschen vom Evangelium
erzählen. Menschen, die zuvor noch nie davon gehört haben, damit diese sich entscheiden
können, sich taufen zu lassen. Für diese Entscheidung müssen die Menschen schließlich erst
einmal von Jesus und der Versöhnung hören, erst dann können sie getauft werden. Das ist der
Auftrag von Jesus an seine Apostel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Heute leben wir aber in einer ganz anderen Realität. Wir sind aufgewachsen mit dem
Christentum um uns herum, wurden unter Umständen christlich erzogen und kennen die

Geschichten rund um Jesus. Wir müssen nicht mehr in die Welt ziehen und sie den Menschen
erzählen.
Und doch brauchen auch wir immer wieder Hilfe, um das alles zu verstehen. Wie oft sitze auch
ich vor einem Text aus der Bibel und denke mir: "Was soll das bitte bedeuten?" Die Bibel steckt
voller schwieriger Texte, über die sich selbst die Theolog*innen nicht im Klaren sind. So leben
wir zwar in einer Welt, die das Christentum und das Evangelium schon lange kennt, und doch
müssen auch wir immer wieder neu herangeführt werden. Wir kennen die Geschichten von
Jesus und vom Reich Gottes, doch wir verstehen sie nicht immer.
Und in dieser Welt sehe ich dann unsere drei Konfis. Sie haben sich frei und von selbst dazu
entschieden, getauft zu werden. Sie möchten Teil der christlichen Gemeinschaft werden. Ihnen
wurde diese Entscheidung nicht kurz nach ihrer Geburt abgenommen. Wie kommen diese
Menschen da hin, an die Stelle, an der sie „ja“ zu Gott sagen wollen?

Vielleicht sind es einfach die kleinen Dinge. Die einfachen Gespräche. Diskurse über einen
Text aus der Bibel, so wie unseren Predigttext. Eine kurze Andacht auf der Konfifahrt, in der
man einen neuen Eindruck von den Geschichten bekommt. In einem Gespräch in einer kleinen
Gruppe, in der wir uns die Frage stellen, was die Bibel eigentlich mit uns zu tun hat. Die neue
Sichtweise auf unser eigenes Leben, die das Gespräch mit anderen Christ*innen bewirken kann.
Ja, vielleicht ist es genau das, was Jesus zu uns heute sagt, wenn er spricht: „Darum gehet hin
und lehret alle Völker“. Nicht lehren im Sinne von „belehren“. Nein, es geht nicht darum, einer
anderen Person zu sagen, was denn jetzt dieser Predigttext zu bedeuten hat und wie wir zu
glauben haben. Aber gemeinsam sich darüber auszutauschen, zu erfahren, was die Anderen
denken und so neue Perspektiven kennenzulernen, das ist ein Lehren, das Wirkung zeigen kann.
Wir müssen uns heute nicht in der nächsten Stadt auf den Marktplatz stellen und den Menschen
zurufen, dass Gott sich mit ihnen versöhnen möchte - es reicht schon, wenn wir ein offenes Ohr
für unsere Mitmenschen haben und mit ihnen offen über unseren Glauben reden können.

Unsere drei Täuflinge in Scharbeutz hätten sich nicht zur Taufe entschieden, wenn sie nicht
vorher mit anderen Menschen über Gott und Jesus und die Bibel gesprochen hätten. So wie
auch wir auf der Konfifahrt mit den anderen Konfis ins Gespräch kamen. In Kleingruppen bei
thematischen Einheiten, durch kreative Methoden, in der großen Gruppe und bei unseren
Andachten. Und Wirkung hat es gezeigt.

Ein Beispiel: Nur wenige Tage nachdem wir Scharbeutz wieder verlassen hatten und alle wieder
in unseren Alltag zurückkehrten, sprach die Mutter eines Konfis uns an. Sie sagte, ihr Sohn
habe ihr erzählt, vor der Fahrt habe er nicht richtig an Gott geglaubt. Aber jetzt, nach der Fahrt,
jetzt glaube er so richtig.
Das, liebe Gemeinde, ist nicht nur eine der schönsten Rückmeldungen, die man bekommen
kann. Es hat uns auch gezeigt, welche Wirkung wir doch mit so einfachen Mitteln auf Andere
haben können. Wenn wir doch häufiger versuchen, mit anderen Menschen über unseren
Glauben ins Gespräch zu kommen, wenn wir offen darüber reden können, auch in unserem
Alltag, dann, denke ich, können wir viel erreichen. Dann werden wir dem Auftrag gerecht, den
uns Jesus gegeben hat, die Menschen zu „lehren“.
Und wenn sich schließlich ein Mensch taufen lässt

und wir den Taufbefehl hören, dann denken
wir an all die Situationen, Momente und

Gespräche, die bis hierher geführt haben.

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Fotos: Robin und Simone Neunaber

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